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Leseprobe

Die Erben Babylons

Buch 2 - Start ins Abenteuer

Kapitel 1 - Erste Flugstunde
Sophie
​

„Wie kann die Zeit nur so langsam vergehen?”, flüstert Steffi, meine neue Freundin, mir fragend ins Ohr.

Ich grinse in mich hinein, da sie offensichtlich noch ungeduldiger ist als ich, und das will etwas heißen.

„Ich fürchte, Zeit ist wirklich relativ, denn bevor der Unterricht beginnt, vergeht sie auf jeden Fall schneller, das steht fest.”

Es ist aber auch unfassbar langweilig. Sozialkunde, alleine der Name des Fachs verursacht mir schon Übelkeit. Noch nie hatte ich so einen langweiligen Unterricht. In allen anderen Fächern bin ich meinen Mitschülern meilenweit voraus. Aber dieser Unsinn geht einfach nicht in mein Gehirn. Jedes Mal, wenn ich dieses Fach habe, bereue ich meinen damaligen Wunsch, ein halbes Jahr lang eine Schule in Deutschland zu besuchen, mehr. 

Brandon, mein Zwillingsbruder, fand die Idee, für kurze Zeit in einem anderen Land in die Schule zu gehen, ebenfalls gut, aber er hatte sich für Spanien entschieden. Wir hielten es beide für eine interessante Erfahrung, mal etwas getrennt voneinander zu machen, daher besuchen wir jetzt in verschiedenen Ländern eine Schule. Heute bereue ich meine Entscheidung mal wieder kolossal. Allerdings habe ich es fast geschafft, nur noch zwei Tage, dann kann ich wieder nach Hause auf meine Insel. 

Naja, nicht wirklich meine, sondern die meiner Eltern. Sie liegt in der Südsee, wo Brandon und ich geboren wurden und wo wir auch aufgewachsen sind. 

Ich hatte eine tolle Kindheit, gute Freunde, eine sehr gute Schule und Freizeitmöglichkeiten, von denen meine neuen Freunde hier nur träumen können.

„Sophie, du solltest besser aufpassen und nicht während des Unterrichts Löcher in die Luft starren”, rügt mich der Lehrer, was Nicole hinter mir mal wieder zum Kichern bringt. 

Nicole hatte mich seit der ersten Woche auf dem Kicker. Sie wollte die Neue in ihre Clique bringen, aber ich hatte bei ihr direkt ein ungutes Gefühl und das Angebot abgelehnt. Daraufhin wurde ich von ihr und ihren Freundinnen gemobbt. 

Nur war ich von Eltern erzogen worden, die so ein Verhalten nicht einfach ignorieren, sondern sich aktiv wehren. Nachdem ich Nicole einige Male bloßgestellt und die Jungs, die mich nach der Schule ‚fertigmachen‘ sollten, als stöhnenden Haufen zurückgelassen hatte, wurde ich endlich in Ruhe gelassen. Was beileibe nicht heißt, dass Nicole mich jetzt mag.

„Tut mir wirklich sehr leid, Herr Schmitz, aber dieses Fach ist einfach so sterbenslangweilig, dass es mir schwerfällt, mich darauf zu konzentrieren.”

„Na hör mal, du solltest dir aber schon darüber im Klaren sein, wie wichtig es ist, über die Politik deines Landes informiert zu sein. Wie willst du sonst entscheiden, wen du wählen sollst?”

„Keine Sorge, ich kenne die politische Situation aller wichtigen Länder und ich bin mir sicher, dass ich keinen dieser verlogenen Politiker wählen werde. Die verarschen uns doch alle, wenn sie nur den Mund aufmachen.”

Der Pausengong rettet mich dann vor einer fruchtlosen Diskussion mit dem kleinkarierten Lehrer, während die meisten meiner Klassenkameraden in lautes Gelächter ausbrechen.

Ich kann es wirklich kaum noch erwarten, wieder auf die Insel zu kommen. Meine Eltern und die ganzen Inselbewohner arbeiten seit Jahren daran, diesen ganzen Politikmüll hinter sich zu lassen. Auf diese Insel zu ziehen, war für viele dort eine Möglichkeit, den Mühlen der Sozialpolitik ihrer Länder zu entfliehen. 

 

Vor einigen Jahren sind dann Aliens auf unserer Insel aufgetaucht. Sie waren abgeschossen worden, als sie eigentlich Hilfe brauchten, konnten sich aber retten und ihr Raumschiff verstecken, waren aber erstmal jahrelang auf der Erde gestrandet. Aus Angst vor Verrat und Missbrauch hatten sie sogenannte Auserwählte gesucht, also Menschen, die aus einer Laune der Natur heraus eine zweite Chance erhalten haben und sich, nachdem sie gestorben waren, im Körper ihres jugendlichen Ichs wiedergefunden haben. Da der Wissenschaftler der Aliens, Aeron, dieses Phänomen auch auf anderen Planeten untersucht hat, war er der Meinung, dass jemand, der so etwas erlebt hat und trotzdem auf dem Boden bleibt, die nötige mentale Stärke und dazu ein gesundes Misstrauen gegenüber eventueller Ausbeutung aufgebaut hat, dass man ihn gefahrlos ins Vertrauen ziehen kann, sprich, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass er ihnen helfen wird, ohne sie zu verraten. Mein Vater ist solch ein Auserwählter.

 

Das Ganze ist eine komplizierte Geschichte, aber es ging im Grunde darum, jemanden mit bestimmten Charakterzügen zu finden, der ihnen helfen kann, nach Hause zu kommen.

Mein Vater hat von all denen, die die sie gefunden hatten, als Einziger diese Bedingungen erfüllt. 

Meine Eltern aktivierten dann die ganze Inselgemeinschaft, um den beiden Aliens zu helfen, ihr Schiff wieder flottzubekommen und nach Hause zu fliegen. Das war vor vier Jahren.

Tante Mei, eine der engeren Freunde meiner Eltern, hatte daraufhin die Idee, selber ein Raumschiff zu bauen und das Thema Auswandern damit auf ein ganz neues Level zu bringen. Die Aliens, Katreena und Aeron, hatten uns auch tatsächlich die Pläne und das notwendige Wissen überlassen, und so bauen die Siedler der Insel seither in einem unterirdischen Hangar alle gemeinsam ein Raumschiff. Natürlich erst mal ein kleines, um es als Expeditionsschiff zu testen, das heißt, um eine Welt zu finden, die sich für eine Kolonisation eignet. 

Das alleine dauert natürlich ewig und drei Tage, aber immerhin arbeiten sie jetzt schon seit drei Jahren ohne Unterlass daran. 

Angefangen hat dieses Projekt unmittelbar nachdem die zwei ETs wieder nach Hause geflogen sind. 

Der Plan ist, später ein Raumschiff für Kolonisten zu bauen, und mit einigen tausend Menschen die Erde mit all ihren Problemen hinter uns zu lassen, sobald sich das kleine Raumschiff bewährt hat und wir sicher sind, dass wir die Technik beherrschen. Aber so ein Unterfangen wird mit Sicherheit Jahrzehnte dauern und bis dahin sind auch noch so manche Hürden zu nehmen.

 

Als ich wieder mal in einem langweiligen Unterricht saß (nee, diesmal Geschichte!), war mir dazu eine, wie ich finde, brillante Idee gekommen und ich kann es kaum erwarten, meinen Eltern endlich davon zu erzählen, denn es würde uns viel Aufwand ersparen, wenn es gelingen würde, meinen Einfall umzusetzen.

Wofür wir allerdings noch keine Lösung gefunden haben, ist das Problem, die richtigen Leute auszuwählen, die die Reise mitmachen dürfen. Mit der kleinen Siedlergruppe, die meine Eltern nach Catan geholt haben, war das noch relativ leicht. Es gab nur wenige Querschläger und die wurden dann auch schnell aussortiert und nach Hause geschickt. Das Kolonialschiff aber soll Tausende in die Kolonie bringen, wenn ein passender Planet gefunden wurde. Und so leicht gibt es von dort ja auch kein Zurück mehr. Darüber hinaus möchte niemand von uns die neue Kolonie in einer der bekannten politischen Formen führen, von denen sich eh keine bewährt hat, aber leider ist es auch schwierig, sich etwas Praktikableres auszudenken.

Irgendwann hatte ich mal versucht, eine Diskussion über eine alternative politische Struktur im Sozialkundeunterricht anzuleiern, wurde aber darüber informiert, dass dies im Unterrichtsplan nicht vorgesehen sei und daher keinen Platz im Unterricht habe. So viel dazu.

 

Die nächsten zwei Tage vergehen dann doch noch irgendwie und das halbe Jahr, von dem ich dachte, dass es nie endet, ist endlich vorbei. Ich verabschiede mich von den Freunden, die ich hier gefunden habe und mache mich auf den Weg nach Hause.

Die neuen Freunde sind so weit ganz nett, aber in ihrer ganzen Denkweise und ihrer Lebenseinstellung leider zu weit von mir entfernt, als dass daraus jemals eine richtig tiefe Freundschaft werden könnte.

Mein Zuhause in Deutschland ist das Haus, das meine Eltern hier gebaut haben, um einen Rückzugsort in ihrem Heimatland zu haben. Meine Großeltern wohnen direkt nebenan, sodass ich nicht alleine bin und mich noch nicht einmal ums Kochen kümmern muss.

Eigentlich ist es ja verrückt, dass ich darüber nachdenke, welche politische Form eine Kolonie auf einem Lichtjahre entfernten Planeten haben könnte, oder wann das Raumschiff wohl fertig wird, um unbekannte Welten zu erforschen. 

Und doch erscheint mir das alles völlig normal. Allerdings hat der Aufenthalt hier mich wieder geeicht, und mich daran erinnert, dass dies alles nicht normal ist.

 

Mein Vater wird mich morgen mit einem fliegenden Auto abholen, mit dem wir in die Umlaufbahn der Erde fliegen, um unentdeckt zu bleiben und es ist für mich quasi Alltag. ‚Voll normal, ey’, wie ein Mitschüler hier sagen würde. Seltsame Leute.

 

Es war interessant, mal eine völlig normale Schule zu besuchen und neue Erfahrungen zu machen. Aber was ich aus dem Erlebnis herausziehe, ist die Erkenntnis, dass ich nichts verpasst habe und mein Leben bisher perfekt war. Das ist doch was!

 

Früh am Morgen des nächsten Tages höre ich, wie sich das Garagentor öffnet und dann das Röhren eines großen Motors. Schnell laufe ich in die Küche, wo mein Vater eine Minute später aus der Garage nach oben kommt.

„Dad, ich habe dich so vermisst! Wie läuft alles, geht es allen gut? Wie weit ist das Raumschiff?”, überhäufe ich ihn mit Fragen, während ich ihn umarme.

Mein Vater muss über meinen Enthusiasmus lachen, denn er ist die Fragenkanonaden seiner Tochter gewohnt und mag es offenbar, dass ich so lebhaft bin.

„Es geht allen gut, keine Sorge. Brandon ist schon zuhause, Mom hat ihn gestern abgeholt. Das Schiff bekommt gerade den letzten Schliff und schon in einer Woche machen wir den ersten Testflug.”

„Da will ich auf jeden Fall dabei sein.”

„Sorry, aber den ersten Flug machen wir mit der Mindestmannschaft. Deine Mutter wird auch nicht mitkommen. Das klingt zwar jetzt hart, aber, es ist nun mal ein Testflug mit einem Raumschiff, das wir selber gebaut haben. So sicher wir uns auch sind, dass alles funktioniert, so gibt es doch keine Garantie, dass alles gut geht. Aber, wenn alles gut läuft, machen wir alle zusammen einen Ausflug zum Mond, versprochen.”

Das klingt gleichwohl verstörend wie lustig. Natürlich habe ich Angst, dass etwas Schlimmes passiert und mein Vater oder einer der anderen verletzt wird oder sonst unaussprechliche Dinge geschehen. 

Auf der anderen Seite, welcher Vater verspricht seinem Kind einen Ausflug zum Mond und meint es absolut ernst?

„Okay, verstehe, versprich mir aber bitte, vorsichtig zu sein.”

„Versprochen, mach dir keine Sorgen. Aber erzähl mal, wie waren die letzten Tage in der Schule?”

So erzähle ich von meinen Eindrücken und Erlebnissen. Wir haben uns zwar regelmäßig gesehen, schließlich liegt Fidschi – für uns - nur etwas über eine Stunde entfernt. Aber dennoch gibt es immer viel zu berichten und so tauschen wir uns während des Frühstücks über meine und seine Erlebnisse aus, bis wir auf dem neuesten Stand sind.

 

Der Tag vergeht wie im Fluge, weil wir nur Dinge tun, die uns Spaß machen. Wir machen einen ausgedehnten Einkaufsbummel, denn schließlich gibt es immer Sachen, die man auf der Insel nicht bekommen kann, gehen Mittagessen mit den Großeltern und am Nachmittag fahren wir einfach nur durch die Gegend und genießen die Fahrt in einem der Oldtimer, die mein Vater sammelt. 

Er mag vor allem die AC Cobra und auch ich freue mich, den satten Klang des bulligen Bigblock Motors zu hören und zu fühlen. Zum Abschluss fahren wir noch in ein Eiscafé, um dort den größten Eisbecher zu verdrücken, den wir bekommen können und treffen dort zufällig Steffi, die ebenfalls mit ihren Eltern dort ist. 

Steffi hat meinen Vater noch nie gesehen, aber da wir das letzte halbe Jahr über oft zusammen waren, kenne ich immerhin Steffis Eltern. 

Und natürlich sind sie neugierig auf den Mann, der vor über 30 Jahren seinen Heimatort verlassen hat, um zunächst in Spanien auf ein Internat zu gehen und der dann in die Südsee ausgewandert ist. Sie gingen glaube ich auch auf die gleiche Schule damals, hatten aber keinen persönlichen Kontakt. 

Im Laufe der Zeit hatte ich ein wenig von der Insel erzählt, auf der ich aufgewachsen bin und jetzt sind die Eltern von Steffi natürlich neugierig.

„Sie sehen viel jünger aus, als ich Sie mir vorgestellt habe”, meint Steffis Mutter, nachdem sich alle vorgestellt haben. „Entschuldigen Sie, dass ich so unverblümt bin, aber wir waren damals ja auf der gleichen Schule und ich glaube, ich war ein Jahr unter Ihnen, was bedeutet, dass Sie doch mindestens Mitte 40 sein müssen, aber Sie sehen aus wie 30. Das macht mich richtig neidisch.”

Dad lacht nur und meint: 

„Das liegt ganz sicher am Inselleben, das weitgehend stressfrei ist, vor allem ohne negativen Stress. Meiner Erfahrung nach, wirkt sich das sehr aufs Aussehen aus.”

„Ich denke, dann sollte ich auch auf eine Insel ziehen”, meint Steffis Vater lachend. „Mir sieht man mein Alter jedenfalls an, jedes einzelne Jahr.”

Plötzlich wird die Unterhaltung durch das Geräusch von quietschenden Reifen und den Aufprall von Metall auf Metall unterbrochen. Steffi und ich laufen direkt raus, um nachzusehen, was passiert ist und ich komme sofort mit einer Schreckensmeldung zu meinem Vater zurück. 

„Da ist jemand in dein Auto gefahren”, bekomme ich vor lauter Schock kaum über die Lippen und alle springen auf, um sich den Schaden anzusehen. Mein Vater bleibt dabei allerdings ganz ruhig, denn er weiß, dass die Cobra so einiges aushält.

Ein offensichtlich betrunkener Fahrer ist mit seinem aufgemotzten Golf in die Cobra gerauscht. Er und einige Schaulustige stehen bei den Autos, um den Schaden zu begutachten. Der Golf wird einen neuen Kotflügel und eine neue Tür brauchen, während die Cobra völlig unbeschadet dasteht und man meinen könnte, sie sei gar nicht in den Unfall verwickelt gewesen.

„Es tut mir wirklich leid”, jammert der Betrunkene, etwas lallend. „Ich war wohl etwas zu schnell.”

„Und etwas zu besoffen”, meint Dad trocken. „Eigentlich müsste ich die Polizei rufen, denn es ist absolut unverantwortlich, dass Sie in diesem Zustand fahren. Aber meinem Auto ist nichts passiert und wir müssen zum Flughafen. Ich hoffe, Sie lernen aus Ihrem eigenen Schaden, denn das sieht jedenfalls nicht billig aus.”

„Sie lassen ihn einfach so gehen?”, fragt Steffis Vater. „Wie kann es denn sein, dass Ihr Auto so gar nichts abbekommen hat?”

„Die Autos von damals wurden eben noch richtig stabil gebaut”, erklärt mein Dad ausweichend. „Außerdem müssen wir langsam los zum Flughafen, da unsere Maschine in ein paar Stunden geht. Ich habe wirklich keine Zeit, auf die Polizei zu warten.”

 

Ich hatte in der Zwischenzeit schnell die Rechnung bezahlt, da es besser ist, jetzt direkt zu verschwinden, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf die Cobra zu lenken. Wie soll man auch erklären, dass der Wagen mit einem energetischen Schutzschirm ausgestattet ist, der wie eine zweite Haut über der Karosserie liegt. Nicht mal eine Gewehrkugel würde eine Delle hinterlassen. Es ist zwar einer der Wagen, der nicht fliegen kann, aber geschützt ist er trotzdem.

Wir steigen unter dem Gemurmel der Umstehenden ins Auto, nachdem wir uns von Steffi und ihren Eltern verabschiedet haben. Mein Vater hat aber auch so gar kein Interesse daran, weiter darüber zu diskutieren und nachdem er den Motor gestartet hat, ist ob des lauten Dröhnens des Motors ohnehin nicht mehr daran zu denken.

„Das ist jetzt echt dumm gelaufen”, sage ich. „Gut war nur, dass er nicht frontal in das Auto gefahren ist. Da hättest du echt Schwierigkeiten gehabt, das zu erklären.”

„Stimmt, aber wenn der Schutzschirm nicht gewesen wäre, hätte ich den Kerl in der Luft zerrissen. Das ist der erste Wagen, den ich mit deiner Mutter zusammen gekauft habe. Die Erinnerung allein ist unbezahlbar und noch dazu ist er bestimmt fast eine Million wert.”

„Echt? So viel?”

„Ja, es ist ein Original und es wurden damit früher Rennen gefahren. Das treibt den Preis hoch.”

 

Wir verabschieden uns noch von den Großeltern und machen uns dann auf den Weg. Diesmal nehmen wir den Jaguar XJ220, den Dad vor einigen Jahren zu einem fliegenden Auto umgebaut hat. Ein DeLorean hätte sicher besser gepasst, aber der Jag gefiel ihm besser und er hatte ihn ja auch schon. 

Es ist noch nicht dunkel genug, um unauffällig aufzusteigen, daher fahren wir erst noch zu einem Imbisstand, um uns eine Currywurst zu gönnen. 

Als die Dämmerung einbricht, fahren wir raus aus der Stadt in ein bewaldetes Gebiet.

„Bereit?”, fragt Dad.

„Immer”, erwidere ich grinsend. „Wann lässt du mich denn mal fliegen?” 

Mein Vater schaut mich überrascht an. Für ihn war und bin ich seine kleine Tochter. Dass ich inzwischen in einem Alter bin, in dem er selber Fliegen gelernt hat, wenn auch nur auf einer einfachen Cessna, wird ihm wohl gerade erst bewusst. Das war damals mit Sicherheit gefährlicher als mit der neuen Technik, die wir von den Aliens bekommen haben. 

„Ich muss zugeben, dass mir erst durch deine Frage richtig bewusst wurde, dass du schon fast erwachsen bist. Wenn ich darüber nachdenke, dann kommt es mir wie letzte Woche vor, dass du nicht mal über den Waschbeckenrand schauen konntest. Aber, du hast recht, du bist wirklich mittlerweile alt genug. Wenn du möchtest, fangen wir direkt an.”

„Ernsthaft?”, frage ich überrascht. Ich hatte einfach nur so gefragt, weil ich es wirklich gerne lernen möchte, habe aber nicht damit gerechnet, dass mein Vater tatsächlich ‚Ja’ sagen würde. 

Wir stehen auf einem Parkplatz im Wald, der tagsüber gerne von Wanderern benutzt wird, die hier ausgiebige Runden auf den Spazierwegen machen, während er nachts völlig verwaist ist.

Wir sind schon oft mit dem Auto geflogen und ich habe meine Eltern immer genau beobachtet, wenn sie ein Auto oder ein Flugzeug nicht mit den vorgesehenen Pedalen, dem Lenkrad oder dem Steuerhorn bewegt haben, sondern mit dem Joystick und den Reglern für die Antigravitationsfelder und den Schutzschild. 

Dennoch höre ich meinem Vater genau zu, weil ja schließlich alles exakt ineinandergreifen muss. Immerhin ist es einfacher mit dem Auto zu fliegen als mit einem Flugzeug, das mit der Alien-Technik ausgestattet ist, da es ja erscheinen muss, als würde es wie alle anderen Flugzeuge fliegen, statt mit Gravitationsgeneratoren. Denn sollten die Flugzeuge tagsüber auf Luftüberwachungsgeräten erscheinen oder Passagiere für unser Hotel befördern, muss man zumindest so tun, als wäre alles völlig normal.

Wo ich dann zugegebenermaßen auf Durchzug schalte, ist, wenn er sich ewig über technische Details begeistert, weil es eben eines seiner Lieblingsthemen ist. So erklärt er mir, dass der Schutzschild selbst einer Atombombe standhalten würde, aber ich hoffe doch sehr, dass wir ohne eine solche Bedrohung nach Hause gelangen. 

So fallen durch den Energieschirm auch die keramischen Schutzschilde weg, die z.B. ein Spaceshuttle benötigt, um wieder in die Atmosphäre einzutauchen. Die Reibung der Luft bei den hohen Geschwindigkeiten des Wiedereintritts würden sonst das eigentliche Shuttle zum Schmelzen und die Passagiere zum Kochen bringen. 

Für uns ist das kein Thema, denn erstens würde uns der Schild ohnehin schützen, zweitens aber können wir vor dem Wiedereintritt in die Atmosphäre ohne Probleme so weit abbremsen, dass es erst gar nicht zu dieser extremen Reibung kommt. Es wäre auch viel zu auffällig, als Feuerball sichtbar zu werden, vor allem, wenn dieser dann auch noch den Kurs ändern kann.

 

Mein Dad macht ohne Luft zu holen weiter und erklärt mir, dass der energetische Schild der Alien-Technik auch eine luftdichte Hülle überflüssig macht, da die Atemluft innerhalb des Schilds gefangen bleibt. Nur sollte man dann nicht zu lange im All bleiben, da sich die Luft relativ schnell abkühlt und es nach kurzer Zeit ausgesprochen ungemütlich wird. 

Allerdings ermöglicht er aber auch sehr hohe Geschwindigkeiten, eben, weil die Reibung keine Rolle spielt. Und das ist der Grund, warum sich die Strecke von Deutschland nach Fidschi auf nur eine Stunde Flugzeit beschränkt.

Möglich machen solche Geschwindigkeiten die sogenannten Gravitationsfelder. Eines reduziert das Gewicht des Fahrzeugs, ein anderes reguliert die Trägheit, sodass die Passagiere keine Beschleunigungs- oder Fliehkräfte spüren, und viele kleinere bauen Felder auf, die ähnlich wie Magnetfelder wirken. Das bedeutet, dass sich das Fahrzeug wie auf einer Magnetschiene bewegt.

 

Nachdem Dad mir alles noch einmal genau erklärt hat, geht es endlich zur Sache. Ich schalte den Schutzschirm ein, reduziere die Schwerkraft und lasse das Auto erst einmal einfach nur schweben. 

Als ich allerdings versuche, langsam Fahrt aufzunehmen, bewege ich den Regler zu weit und der Jaguar schießt vorwärts, direkt in den nächsten Baum. Dieser fällt dann auch prompt mit einem lauten Knirschen um. Erschrocken lasse ich das Steuer los und das Auto bleibt still in der Luft stehen.

Mein Vater kann nicht anders und muss laut lachen, als er meinen entsetzten Gesichtsausdruck sieht.

„Wieso lachst du? Ich habe gerade einen Baum gekillt!”

„Du hast recht, das war uncool, aber dein Gesichtsausdruck war einfach göttlich. Zu blöd, dass ich keine Kamera dabeihabe, um das aufzunehmen.” 

Ich sehe ihn böse an, muss dann aber auch lachen.

„Was machen wir jetzt, müssen wir das melden?”

„Und was willst du denen sagen? Dass du gegen den Baum gefahren bist, der dadurch in drei Meter Höhe abgebrochen ist?”

„Schätze, das wäre keine gute Idee, vor allem, weil das Auto nicht mal einen Kratzer hat.”

„Nein, lass es einfach bleiben. Es ist sowieso nichts, das wir ändern könnten. Versuche es einfach nochmal, nur bitte etwas sachter!”

Diesmal bediene ich das Steuer ganz, ganz vorsichtig und steige erst mal über die Baumwipfel, bevor ich uns horizontal bewege. Nach ein paar Minuten bekomme ich langsam ein Gefühl dafür, wie das Fahrzeug reagiert.

„Ich denke, ich habe es jetzt raus. Soll ich steigen?”

„Ja, steig so schnell du kannst. Akio hat das Schild zwar so kalibriert, dass auf einem Radar, wenn überhaupt, nur ein undeutliches Signal erscheint, aber wir wollen unser Glück nicht herausfordern. Achte nur darauf, dass kein Flugzeug unseren Weg kreuzt. Wenn alles klar ist, steigst du auf 50 km. Der Navi hier zeigt dir die Höhe und die Richtung an.”

Ich hole tief Luft und bringe die Nase des Jaguars in die Vertikale, schaue noch mal, ob Positionslichter eines Flugzeugs zu sehen sind und beschleunige dann. Wir merken nichts von der Beschleunigung, denn die Trägheitsdämpfer funktionieren einwandfrei, aber schon nach etwa 2 Minuten warnt mein Vater mich: 

„Achte auf die Höhe. Du musst jetzt anfangen abzubremsen, um in die Umlaufbahn zu kommen.” 

Ich reduziere schnell die Geschwindigkeit und korrigiere den Kurs in Richtung Fidschi. Ich bin zwar um 10 km zu hoch gestiegen, aber mein Vater lobt mich dennoch. Für das erste Mal fand er das wohl gut und hier oben herrscht ja schließlich auch kein Verkehr.

„Gibt es hier keine Satelliten?”, frage ich.

„Nein, die niedrigsten befinden sich in 500 km Höhe, die meisten in 38.000 km und die ISS in rund 400 km. Das Einzige, was uns hier in den Weg kommen kann, sind Meteore. Außerdem ist es hier am wärmsten.”

„Wie das?”

Wir sind hier in der Ozonschicht und dort liegt die Temperatur um die 0°C. Weiter unten, wo z.B. die Flugzeuge fliegen, ist es -50°C oder kälter und über uns wird es auch wieder schnell sehr kalt und vor allem ist die Strahlung dort zu hoch.”

Ich bin voll konzentriert und daher nicke ich nur und beschleunige in Richtung Heimat. 

„Die Erde ist wirklich schön von hier oben. Ich kann mich daran gar nicht satt sehen”, sage ich nach einer Weile.

„Du hast recht, aber warte mal ab, wenn wir wirklich ins All fliegen, diesen Blick wirst du nie vergessen.”

„Stimmt, ich kann mich an den Ausflug mit Katreena erinnern, auf dem wir damals zweimal um die Erde geflogen sind.”

 

Mir fällt gerade auf, dass ich meinen Vater hier ganz für mich habe und es die beste Gelegenheit ist, ihm von meinem Einfall zu erzählen: 

„Ich hatte übrigens eine grandiose Idee, als wir mal wieder diesen total langweiligen Geschichtsunterricht hatten.”

„Das mit dem langweiligen Geschichtsunterricht, bei dem du offenbar nicht aufgepasst hast, versuche ich mal zu überhören, aber ansonsten, schieß los!”

„Wir haben Städte wie Babylon, Troja, Sodom und Gomorra durchgenommen und diskutiert, was davon wahr sein kann und was Erfindungen aus der Bibel. Durch Katreena und Aeron wissen wir ja, dass Babylon eine Geschichte mit einem wahren Kern ist, aber wir haben nie darüber nachgedacht, was aus dem Raumschiff geworden ist, mit dem sie hier ankamen.”

„Das stimmt, aber das ist ja jetzt schon 4.200 Jahre alt und wenn es bisher nicht gefunden wurde, dann besteht wohl kaum eine Chance, dass wir es entdecken.”

 

Wir hatten von unseren Aliens gelernt, dass die Menschen von Babyloniern abstammen, ein Volk, das einige hundert Lichtjahre von hier entfernt lebt. Einige unzufriedene Rebellen von verschiedenen Kolonialplaneten dieses Volks hatten sich zusammengetan und gewaltsam gegen das bestehende System aufbegehrt. Als sie anfingen, terroristische Anschläge zu verüben, hatten die Regierungen reagiert, alle verhaftet und auf ein Gefängnisschiff gebracht.

Irgendwann hatten sie das Schiff dann unter ihre Kontrolle gebracht und sind verschwunden. Keiner hat sie je wiedergesehen.

Es stellte sich heraus, dass sie die Erde gefunden hatten und hier gestrandet sind. Da sie von verschiedenen Planeten kamen, haben sie unterschiedliche Sprachen gesprochen, Sprachen, die wir in leicht abgewandelter Form hier auf der Erde noch immer sprechen. 

Aeron hatte die Theorie, dass der Schiffscomputer aus irgendeinem Grund ausfiel und die Übersetzungssoftware daher nicht mehr funktionierte, wodurch damals das Sprachenchaos entstanden ist. Die Sträflinge waren ein bunt zusammengewürfelter Haufen, da sie von verschiedenen Kolonien stammten und haben sich offenbar in mehrfacher Hinsicht nicht gut verstanden, sodass sie sich nach dem Ausfall der Übersetzungscomputer über die ganze Welt verstreuten.

 

„Ja, das ist lange her, aber kann es denn nicht sein, dass das Raumschiff im Irak, irgendwo in der Nähe von Babylon, unter Sand vergraben liegt und konserviert wurde? Es funktioniert sicher nicht mehr, aber allein, wenn wir die Hülle hätten, würde uns das viel Arbeit ersparen.” 

Mein Vater ist sehr nachdenklich geworden und sagt lange nichts.

„Du könntest da tatsächlich auf eine interessante Spur gestoßen sein. Wenn wir die Hülle bergen könnten ...”

 

Kurz darauf kommt auch schon die große Hauptinsel der Fidschi-Inseln in Sicht und es wird höchste Zeit, langsamer zu werden und tiefer zu gehen. Eine Minute später sind wir bereits im Landeanflug auf unsere Heimatinsel, Catan. Es ist so früh am Morgen hier, dass die Dämmerung gerade erst eingesetzt hat. Es ist niemand zu sehen, aber dennoch fliege dicht über dem Meer auf die Insel zu, steige dann dicht über die Baumwipfel und sinke am hinteren Ende der Landebahn direkt in die unterirdische Garage. 

Meine Eltern hatten sie angelegt und mit einem funkgesteuerten Tor versehen, sodass wir direkt reinfliegen und das Tor hinter uns schließen können. Hier stehen noch 6 weitere Autos geparkt. Drei sind exotische Sportwagen, zwei sind mehr oder weniger normale Autos und dann steht da noch ein Van. Die Wagen gehören den Pionieren der Insel, das heißt, den Personen, die vor 22 Jahren auf dieser Insel aus dem Nichts eine Siedlung aufgebaut, die Infrastruktur erstellt und eine Heimat für über 400 Menschen geschaffen haben. 

Sie alle sind durch ihre Arbeit hier bekannt, reich und vor allem glücklich geworden und sie haben sich auch alle den Luxus von fliegenden Autos gegönnt, mit denen sie in kürzester Zeit ihre Familien besuchen können, die auf der ganzen Welt verstreut leben. 

Und den Van nutzen wir, wenn eine Gruppe, die nicht in nur einen Wagen passt, mal in den Urlaub fliegen möchte. Tja, bei uns geht es echt darum, sich wohlzufühlen.

 

Mein Bruder Brandon und ich sind hier aufgewachsen und daher ist das alles Alltag für uns. Wie weit dieses Leben von der Norm abweicht, habe ich erst so richtig in dem halben Schuljahr auf einer normalen Schule in Deutschland begriffen.

Es war nicht immer leicht, nicht über all die Dinge sprechen zu können, die für mich normal sind, aber es hat meine Welt auch in die richtige Perspektive gerückt und ich kann erst jetzt so richtig verstehen, wie gut es mir, meinem Bruder und den anderen auf der Insel eigentlich geht.

Nachdem ich den Wagen geparkt und mich davon überzeugt habe, dass ich nicht noch etwas anderes als den Baum beschädigt habe, gehen wir über die Landebahn zur Siedlung. 

Meine Mutter erwartet uns bereits. Sie genießt die frühen Morgenstunden und die frische, kühle Luft in einer Hängematte vor dem Haus.

 

„Mom”, rufe ich, als ich sie sehe, laufe zu ihr und hechte auf die Hängematte, sodass wir um ein Haar rausgefallen wären. Mom lacht nur, umarmt mich und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.

„Schön, dass du wieder hier bist. Ich habe dich ganz fürchterlich vermisst.”

„Ich dich auch. Stell dir vor, ich durfte den ganzen Weg hierher selber fliegen.” 

Mom sieht Dad an, als sei sie sich unklar darüber, ob sie entsetzt oder stolz auf ihre Tochter sein soll.

„Wie hat sie sich geschlagen?”, fragt sie letztendlich.

„Sie hat es gut gemacht. Es musste lediglich ein Baum dran glauben. Ein echtes Naturtalent.” 

Mom muss lachen. 

„Du hast einen Baum gefällt? Erzähl mir alles!”

 

 

Kapitel 2 - Nur ein Traum
Brandon
​

Aufgeregte Stimmen und vor allem Gelächter passen eigentlich nicht zu der Situation, in der ich mich gerade befinde …

Erst war ich mit Alba im Kino und anschließend haben wir dann ein Tapas Restaurant besucht. Es war ein toller Abend und wir sind uns sogar endlich ziemlich nah gekommen. Und dann - aber ich glaube, ich muss vorher etwas ausholen: Alba geht ebenfalls auf die Schule in Madrid, in der ich ein halbes Jahr verbringe, um meinen Horizont zu erweitern. 

Wir sind ja schon etwas isoliert auf unserer Insel und daher fand ich die Idee von Sophie, mal eine andere Perspektive der Welt zu sehen, ziemlich interessant.

Alba ist eine Schönheit, die mir bereits am ersten Tag auffiel. Allerdings hatte sie einen Freund, und zwar einen sehr eifersüchtigen Freund, der keinen auch nur in ihre Nähe gelassen hat. 

Mein Gefühl sagte mir schon zu der Zeit, dass die Zuneigung zwischen den beiden eher einseitig war, aber das war nicht meine Baustelle, vor allem nicht als der Neue.

Da Alba nicht in meine Klasse ging, sondern eine Jahrgangsstufe unter mir war, verlor ich sie aus den Augen und ich wurde dann auch schnell von dem neuen, ungewohnten Schulalltag eingenommen. 

Meine Klassenkameraden waren im Großen und Ganzen alle ok und es gab auch keine Stinkstiefel in meiner Klasse, wie meine Eltern sie damals ertragen mussten, als sie sich hier in dieser Schule kennengelernt hatten. 

Zwei meiner Klassenkameraden entwickelten sich darüber hinaus zu richtig guten Freunden, Björn aus Schweden und Eleni aus Griechenland. Irgendwie stimmte die Chemie zwischen uns und schnell waren wir unzertrennlich.

Wir haben fast alles gemeinsam gemacht und es war eine tolle Zeit, aber trotzdem allem ging mir Alba einfach nicht aus dem Kopf. Irgendwann war es Eleni dann zu viel, dass ich in Gedanken ständig woanders war und sie schlug mir vor, dass ich sie einfach mal ansprechen solle.

„Du weißt schon, dass es dann Probleme mit Ronaldo gibt?”

„Und wenn schon, schließlich ist sie nicht sein Eigentum, und so richtig verliebt kommt sie mir eigentlich auch nicht vor.”

 

Also fasste ich mir ein Herz und begab mich auf die Suche nach ihr. In der Bibliothek wurde ich dann fündig, aber anders, als ich mir das vorgestellt hatte, denn sie saß dort ganz allein in der entferntesten Ecke und weinte leise.

„Alba, was ist passiert? Kann ich dir helfen?”, sprach ich sie direkt an, aber sie verstecke ihr Gesicht schnell hinter ihren langen, dunkelblonden Haaren.

„Nein, danke, ich fürchte, keiner kann mir helfen.”

„Das kommt auf einen Versuch an, erzählst du mir, was los ist? Ich weiß, wir kennen uns kaum, aber vielleicht ist es ja sogar einfacher, mit einem relativ Fremden über dein Problem zu sprechen?”

„Glaub mir, du schadest dir nur, wenn du mir hilfst. Ich habe mit Ronaldo Schluss gemacht, aber er nimmt mich nicht ernst und für ihn ist das nur eine Laune seiner kleinen Freundin und jeder, der sich auf mich einlässt, wird von ihm bedroht.”

„Aber das sind doch super Neuigkeiten”, rief ich erfreut. „Ich habe dich gesucht, weil ich dich auf einen Kaffee einladen wollte, war mir aber nicht sicher, ob das eine gute Idee ist, weil du mit Ronaldo zusammen bist. Allerdings sahst du nie so richtig glücklich aus und jetzt, wo du nicht mehr an ihn gebunden bist, stehen meine Chancen doch wesentlich besser.” 

Sie sieht mich nur ungläubig an. 

„Du hast schon mitbekommen, dass Ronaldo sich mit jedem anlegt, der auch nur mit mir spricht?”

„Darüber mach dir mal keine Sorgen, denn eine Zurückweisung von dir würde meinem Ego wesentlich mehr weh tun.” 

Darüber musste sie so lachen, dass ihre Tränen erst mal vergessen waren.

„Du kennst mich doch gar nicht und willst so ein Risiko eingehen?”

„Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick? Wenn nicht, kann ich gleich noch mal vorbeikommen“, schlug ich scherzhaft vor, denn mir gefällt ihr Lachen und ich wünsche mir mehr davon. „Aber ernsthaft, du bist mir gleich am ersten Tag aufgefallen und schon da wollte ich dich gerne näher kennenlernen. Aber da du mit Ronaldo zusammen warst, wollte ich nicht dazwischenfunken.”

„Das war sehr rücksichtsvoll von dir. Ich mochte ihn am Anfang echt gern, weil er wirklich lieb zu mir war. Nur hat er sich dann schnell in einen Tyrannen verwandelt, oder vielleicht hat er mit der Zeit auch einfach nur sein wahres Gesicht gezeigt, keine Ahnung. Heute war es mir dann wirklich zu viel geworden, als er mir verbieten wollte, meine Eltern zu besuchen. Er verhält sich immer mehr so, als wäre ich sein Eigentum und das hat mir endgültig den Kragen platzen lassen. Ich weiß, dass er mich nicht so leicht aus seinen Fängen lässt, aber ich kann einfach nicht mehr mit ihm zusammen sein. Wenn ich ehrlich bin, habe ich inzwischen sogar ein wenig Angst vor ihm.”

„Keine Sorge, ich helfe dir gerne, selbst wenn du kein Interesse daran hast, mir eine Chance zu geben. Aber per se gehen mir Leute wie dein Ex gewaltig gegen den Strich.”

„Das ist wirklich nett gemeint von dir, aber da muss ich wohl irgendwie alleine durch. Ich möchte nicht, dass du verletzt wirst. Ronaldo ist in einem Kampfsport Kurs und ich glaube, er ist gut darin.”

„Ich weiß, ich mache das auch, aber er ist nicht so toll, wie er das wohl gerne wäre. Aber wieso machst du das nicht?”

„Ich glaube, das ist nichts für mich und Ronaldo hat mir auch abgeraten.”

„Das kann ich mir lebhaft vorstellen, denn eine Frau, die sich wehren kann, würde sicher sein ganzes Weltbild komplett auf den Kopf stellen.”

„Und bei dir ist das anders?”

„Oh ja, die ganze Philosophie meiner Familie basiert darauf, dass jeder sich wehren können sollte, besonders Frauen. Meine Eltern haben beide den schwarzen Gürtel in Ju-Jutsu, Aikido und Kendo. Meine Schwester und ich trainieren quasi, seit wir laufen können.”

„Ist deine Schwester zuhause? Wo wohnst du eigentlich?”

„Ich komme von den Fidschis und meine Zwillingsschwester geht im Moment in Deutschland zur Schule. Du bist Spanierin?”

„Ja, meine Eltern leben auf Mallorca. Von den Fidschis, das ist aber weit weg, dabei sprichst du Spanisch, als seist du von hier.”

„Das lernen wir so in der Schule. Wir haben Lehrer aus Spanien, die sehr darauf achten, dass die Aussprache korrekt ist. Außerdem sind einige Mitschüler spanischer Abstammung.”

„Das klingt äußerst interessant und ich würde wirklich gerne mehr darüber hören, aber jetzt muss ich zum Unterricht.”

„Treffen wir uns zum Abendessen in der Cafeteria?”

„Wenn du dir das wirklich antun willst, würde ich mich freuen, mehr von dir und deinem Leben zu erfahren!”

 

„Siehst du, wie gut es war, dass du mit ihr gesprochen hast”, meinte Eleni erfreut, als ich meinen Freunden davon erzählte.

„Wir werden in der Nähe bleiben, für alle Fälle”, schlug Björn vor. Er und Eleni sind ebenfalls begeisterte Kampfsportler und nicht gerade Fans von Ronaldo und seinen Freunden.

 

Als ich später in die Cafeteria ging, saß Ronaldo mit Alba am Tisch. Die beiden waren in eine heftige Diskussion verwickelt. Da ich mit Alba verabredet war, setzte ich mich einfach neben sie und begrüßte sie ganz locker.

„Verpiss dich”, fuhr Ronaldo mich an.

„Das wäre unhöflich, schließlich bin ich mit Alba verabredet”, entgegnete ich und grinste ihn dabei an. Ronaldo wurde puterrot und starrte erst Alba und dann mich mit einem giftigen Blick an.

„Was fällt dir ein, mit meiner Freundin zu sprechen?”, presste er heraus.

„Ich befürchte, da bist du auf dem falschen Dampfer, denn so wie ich das verstanden habe, hat sie heute mit dir Schluss gemacht. Von daher ist sie also nicht mehr deine Freundin, mal ganz abgesehen davon, dass sie sprechen kann, mit wem sie will.”

„Sie ist eine Frau und hat das nicht zu entscheiden und du solltest jetzt ganz schnell gehen. Aber sei dir gewiss, dass ich später noch ein Wörtchen mit dir reden werde.”

„Dir ist schon klar, dass wir im 21. Jahrhundert leben, oder bist du zufällig ein Zeitreisender aus dem Mittelalter? Das würde zumindest einiges erklären.”

„Du - gehst - auf - der - Stelle - weg - oder - ich - mach – dir - Beine!”, knurrte er wutentbrannt und war kurz davor, seine Beherrschung zu verlieren.

„Möchtest du, dass ich gehe?”, fragte ich Alba ganz ruhig.

„Nein, bitte nicht”, sagte sie leise und völlig verängstigt.

„Siehst du, du bist abgeschrieben. Jetzt wird es Zeit, nach vorne zu schauen und mit der Niederlage zu leben.” 

Das war dann der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Wutentbrannt hechtete er über den Tisch und prügelte auf mich ein. Die ersten Schläge ließ ich durchgehen, so, wie wir es besprochen hatten, und dann griffen auch schon Björn und Eleni ein und hielten ihn fest. Noch während er tobte und fluchte und die übelsten Verwünschungen gegen mich und Alba ausstieß, kam einer der Security Leute rein und kurz darauf auch die Direktorin, die wohl von den Mitarbeitern der Cafeteria benachrichtigt worden war.

Natürlich mussten wir alle erklären, was vorgefallen war, aber der Fall war so eindeutig, dass der Direktorin gar nichts anderes übrigblieb, als Ronaldo von der Schule zu verweisen.

 

In den nächsten Tagen hatte ich dann mehr Gelegenheit Alba ungestört kennenzulernen und was soll ich sagen, es hat sich gelohnt über meinen Schatten zu springen und sie anzusprechen. Sie ist echt großartig und passt wunderbar in meinen Freundeskreis. 

Ronaldos Freunde hatten auch nichts mehr unternommen, obwohl sie mir immer wieder böse Blicke zuwarfen, wenn sie mich sahen, aber mehr passierte nicht.

 

Und so kommen wir zu dem besagten Abend im Kino und im Tapas Restaurant. Alba hatte sich in den zurückliegenden Tagen sehr verändert. 

Wenn sie anfangs immer noch ängstlich und schreckhaft war, so taute sie täglich immer mehr auf. Heute war sie sehr locker und gelöst. Der Stress der Beziehung hing ihr wohl noch ziemlich nach. Da Ronaldo aber aus Portugal stammt, war die Chance, ihm noch mal über den Weg zu laufen, eher gering, was wohl einiges damit zu tun hatte, dass sie endlich loslassen konnte.

Wir sind nicht allzu weit von der Schule weg, aber es ist viel zu schön, mit meinem Mädchen im Arm durch den Park zu spazieren, als dass ich ein Taxi rufen möchte.

 

Wir sind gerade halb durch den Park, als eine Gruppe auf uns zusteuert. Erst beachten wir sie gar nicht, aber als sie näherkommen, erkennen wir Ronaldo und zwei seiner Freunde.

„Jetzt bezahlst du dafür, dass du mir meine Freundin gestohlen hast”, sagt er hasserfüllt.

„Ronaldo, sei vernünftig. Niemand hat mich dir weggenommen. Ich hatte mit dir Schluss gemacht, weil es mit uns einfach nicht mehr funktioniert hat”, versucht Alba ihm die Situation zu erklären.

„Du Schlampe, du wirst das auch noch bereuen”, meint er verächtlich und dann geht er mit einem Kampfschrei auf mich los. Weil er beim letzten Mal ein paar Treffer landen konnte, ist er offenbar der Meinung, dass ich ein leichtes Opfer bin. Seine Freunde halten in der Zwischenzeit Alba fest, damit sie nicht weglaufen und um Hilfe rufen kann.

Das Problem, wenn man jemanden unterschätzt, ist aber, dass man unvorsichtig wird und hinzu kommt, dass sie zu dritt sind und meine neue Freundin bedrohen. 

Daher verzichte ich auf jede Spielerei und gehe mit allem gegen ihn vor, was ich in den vielen Jahren von meinem Sensei und meinen Eltern gelernt habe. Er kann zwar meine ersten beiden Schläge gerade so abwehren, aber dann dringe ich durch seine Verteidigung und lasse Schläge und Tritte so schnell auf ihn los, dass er Mühe hat, sein Gesicht zu schützen. 

Seine beiden Freunde bekommen schnell mit, dass er überfordert ist und mischen jetzt auch noch mit. Sie greifen mich von zwei Seiten an und können auch tatsächlich einige Treffer platzieren. Ich passe mich aber schnell an ihren Kampfstil an und es dauert nicht lange, bis alle drei am Boden liegen.

„Wie hast du das gemacht?”, fragt Alba ungläubig und mit tränenüberströmtem Gesicht. „Er hat dich das letzte Mal so leicht überrumpelt.”

„Nur, weil ich ihn gelassen habe, denn ich wollte, dass er von der Schule fliegt, denn sonst hättest du keine Ruhe vor ihm gehabt. Aber jetzt sollten wir die Polizei rufen. Kannst du das machen? Dann habe ich die Hände frei, um auf die drei aufzupassen”, erkläre ich ihr und gebe ihr mein Handy.

„Bist du sicher, dass sie nicht genug haben?”

„Nein, sie haben uns mitten in der Nacht in einem leeren Park angegriffen. Wenn wir sie laufen lassen, wer weiß, was sie dann machen.” 

„Du hast vollkommen recht“, meint sie und sieht mich an, als sei ich ihr persönlicher Held. Dann stellt sie sich ganz nah an mich heran und gibt mir einen Kuss, der ganz sanft anfängt und dann immer heißer wird …

 

Aber, was ist das denn jetzt nun für ein Gelächter und Gekicher? Die drei Schläger haben schließlich nichts mehr zu lachen und ich kann jetzt keine Ablenkung brauchen, denn dieser Kuss raubt mir eh schon den Verstand. Als ich mich umsehen will, komme ich so ganz langsam zu mir und mir wird bewusst, dass ich zu Hause auf der Insel bin und alles nur geträumt habe. Dass ich aber auch ausgerechnet von dieser unangenehmen Begebenheit träumen muss … Schließlich habe ich eindeutig schönere Erinnerungen an Alba als ausgerechnet diese. Mann, ich vermisse sie und auch meine Freunde, aber ich war nur für ein halbes Jahr dort und musste vier Monate nach dieser Sache wieder zurück. Ich glaube, die Direktorin war darüber nicht böse. In meiner kurzen Zeit dort hat sie drei Schüler verloren und da es eine Privatschule ist, tut das weh.

 

Es dauert ein wenig, bis ich klar genug bin, um Traum und Wirklichkeit unterscheiden zu können. Aber dann erkenne ich die Stimme meiner Schwester und bin eine Minute später auf dem Weg nach draußen.

Als sie mich sieht, sprintet sie sofort zu mir und springt mich an, ohne abzubremsen. Lachend fallen wir auf den Boden und ringen darum, wer am Ende oben ist. Da ich noch halb schlafe, gewinnt sie diesmal und ich gebe mich geschlagen.

Die nächsten Stunden verbringen wir damit, uns alles zu erzählen, was der andere noch nicht mitbekommen hat, denn wir hatten noch nie Geheimnisse voreinander und wir werden damit auch gar nicht erst anfangen.

Schreibt mir gerne wenn ihr Anregungen oder Fragen habt, ich freue mich darauf von euch zu hören.

Wer Interesse hat, Testleser für mein neues Buch zu werden .... schickt mir einfach eine E-Mail.

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